„Der Goldene Handschuh“ spaltet das Publikum

Von Von Julia Kilian und Peter Claus, dpa
„Der Goldene Handschuh“ spaltet das Publikum

Regisseur und Produzent Fatih Akin (m.), Schauspieler Jonas Dassler und Autor Heinz Strunk (l) bei der Premiere des Films "Der goldene Handschuh". Foto: Jörg Carstensen

Berlin (dpa) - Erst in letzter Minute wurde „Der Goldene Handschuh“ fertig. Fatih Akin porträtiert darin einen Serienmörder. Er sorgt auf der Berlinale zumindest für Gesprächsstoff - vorne liegt aber ein anderer deutscher Film.

nimmt die Säge. Setzt an, bricht ab, trinkt Schnaps, raucht eine. Dann legt er Schlager auf: „Es geht eine Träne auf Reisen...“

Der Regisseur Fatih Akin hat mit „Gegen die Wand“ 2004 bei der Berlinale den Goldenen Bären gewonnen. Nun erzählt er nach „Tschick“ und „Aus dem Nichts“ die Geschichte eines Serienmörders. Und zwar nach der Romanvorlage von Heinz Strunk. Honka, das war der Mann, der in den 70er Jahren in Hamburg mehrere Frauen umgebracht und zerstückelt hat. Die Leichenteile versteckte er in seiner Dachgeschosswohnung.

Akins Film ist momentweise eklig, manchmal skurril, gelegentlich spannend, geht aber nie unter die Haut. Mehr als ein Kaleidoskop des Grauens wird nicht gezeigt. Von ganz anderer Wirkung ist da der deutsche Wettbewerbsbeitrag „Systemsprenger“.

Nora Fingscheidt gibt damit ihr Debüt als Autorin und Regisseurin eines abendfüllenden Spielfilms. Sie zeigt, welche Schwierigkeiten die Gesellschaft hat, mit einem zu Wutanfällen und Gewaltausbrüchen neigenden Kind umzugehen. Benni ist so ein Kind. Die zehnjährige Helena Zengel spielt das derart überzeugend, dass man selbst nicht weiß, wie man dem Kind helfen könnte.

Der Film ist mit starken Emotionen aufgeladen, gleitet aber nie ins Sentimentale ab. Da dürfte sich „Systemsprenger“ zumindest gedanklich mit Angela Schanelecs Spielfilm „Ich war zuhause, aber“ treffen. Der neue Film der Regisseurin ist am Dienstag im Wettbewerb zu sehen.

Schanelec, eine der bekanntesten Vertreterinnen der sogenannten Berliner Schule, besetzt eine Nische. Ihre unterkühlten Filme erreichen meist nur ein kleines Publikum. Was ja als grundsätzliches Problem des deutschen Kinos gilt. Millionenhits, wie aktuell Caroline Links „Der Junge muss an die frische Luft“, sind die Ausnahme. Ihr Film beschreibt berührend die Kindheit von Hape Kerkeling in den 70er Jahren im Ruhrgebiet.

Fatih Akin blickt in „Der Goldene Handschuh“ auf den gleichen Zeitraum. Aber mit düsterem Blick. Er zeigt vor allem verlorene Gestalten in der gleichnamigen Spelunke. Ganz klar: Für einen netten Abend mit der Familie, so wie mit dem Kerkeling-Film, taugt der „Handschuh“ nicht. Nicht nur, weil erst frei ab 18 ist.

Neben Hauptdarsteller Jonas Dassler, der sich mit viel Maske in ein Monster verwandelt, geben auch Schauspielerinnen wie Margarethe Tiesel und Martina Eitner-Acheampong dem Film eine schmerzhafte Körperlichkeit. Sie spielen Frauen, die ganz unten sind. Alkoholikerinnen und frühere Prostituierte.

Vieles ist wie eine Groteske inszeniert. Honka hängt gegen den Leichengeruch grüne Duftbäumchen auf. Es wird gekotzt, gewürgt, geschlachtet, vergewaltigt, gemordet. Meist geschieht das eher erwartbar, nicht überraschend wie in einem Horrorschocker.

Ihnen sei bewusst gewesen, dass sie harte Sachen zeigten, räumt Produzentin Nurhan Sekerci-Porst ein. Für das Team hätten sie Psychologinnen am Set gehabt. Wie sich manche Szene für die Schauspielerinnen angefühlt habe? Sie habe sich beim Dreh nicht ausgeliefert gefühlt, versichert Tiesel. „Die Wahrheit wird einfach erzählt.“ Für den Zuschauer ist das aber oft schwer erträglich.

Er habe Gewalt nicht zelebrieren, jedoch verstörend zeigen wollen, sagt Akin. „Der Film ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Und das ist auch okay.“ Akin ist selbst Hamburger. Der 45-Jährige kennt St. Pauli und die klebrigen Tresen der Kiezkneipen. Er habe allen Figuren eine Würde geben wollen. Dem Mörder, aber auch den Frauen. Bei ihnen wolle er den Überlebenswillen zeigen.

Erste Kritiken nach der Premiere am Samstagabend fielen kontrovers aus. „Spiegel Online“ sprach von einem „Splatter-Kammerspiel“: Nach dem Verlassen des Kinos „möchte man sehr heiß duschen und dann intensiv mit Mundwasser gurgeln“. Ekel löse der Film aus - „viel mehr leider nicht“. Tatsächlich ist Honkas Wohnung so siffig, dass man lieber nichts anfassen wollte: Kippen, Kornflaschen, Nacktbilder.

Der RBB sah das „erste große Ärgernis des Festivals“: Die Welt, die Akin auf die Leinwand bringe, sei eine abstruse Groteske und der Film würdelos. Eine Kritikerin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärte, sie finde den Frauenhass im Film „schmerzhaft“, „hoch problematisch“ und „auch kontextlos“. Der Berliner „Tagesspiegel“ dagegen meinte, es sei ein „gelungen düsterer“ Film.