Kultur

„Die Schulz-Story“ eröffnet Privattheatertage in Hamburg

Mittwoch, 12. Juni 2019 - 13:01 Uhr

von Von Ulrike Cordes

Axel Krauße (l-r), Sebastian Schäfer und Gundi-Anna Schick brillieren in „Die Schulz-Story“. Foto: Daniela Aldinger/Studio Theater Stuttgart

Hamburg (dpa) - Der Fall des einstigen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz machte nicht nur auf der politischen Bühne Furore. „Die Schulz-Story“ findet auch auf der Bühne statt.

Grelle Karnevalsmusik ertönt, Papierschlangen wirbeln durch die Luft. Inmitten des Trubels steht schwankend und allein ein abgekämpft wirkender Mann mit Bart und Brille, der seine knallrote Krawatte lockert. „Gott bin ich müde“, stöhnt er, „so unfassbar müde. Ob ich jemals wieder fit werde, das weiß ich nicht.“

Es ist Martin Schulz, dessen kurzer Höhenflug als SPD-Kanzlerkandidat nach einem miserablen Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 höchst unsanft endet. Im Theaterstück „Die Schulz-Story“ verkörpert ihn beeindruckend der Schauspieler Sebastian Schäfer.

Die knapp dreistündige Inszenierung von Christof Küster nach dem gleichnamigen Buch des Journalisten Markus Feldenkirchen hat am Dienstagabend in Hamburg die achten bundesweiten Privattheatertage eröffnet. Für das Gastspiel des Studio Theater Stuttgart gab es vom Publikum im voll besetzten Altonaer Theater minutenlangen Beifall. Anwesend waren auch der Autor Feldenkirchen sowie Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD).

Das Stück, als Komödie angekündigt und doch mehr wie ein Lehrstück erscheinend, schildert präzise wohl typische Prozesse auf und hinter der politischen Bühne. Der Reporter Feldenkirchen hatte den realen Politiker 2017/18 fünf Monate lang begleiten dürfen - im Theater tritt Moritz Brendel als die vielen knappen Szenen kommentierender Erzähler Feldenkirchen in einer weiteren Hauptrolle in Aktion.

Das simple, dabei sehr sinnfällige Bühnenbild (Ausstattung: Maria Martinez Peña) besteht aus einer Ansammlung von rollbaren Stellwänden, von Tischen, Stühlen, Kaffeebechern, Kekstellern und Mikrofonen, die immer wieder neu arrangiert werden - zu Besprechungszimmern, Kongresshallen, Fernsehstudios und Flugzeugkabinen. In Daueraktionismus sind auch die übrigen vier Darstellerinnen und Darsteller. Sie verwandeln sich stetig in Polit-Akteure und -Berater wie die SPD-Politiker Andrea Nahles, Sigmar Gabriel und Hubertus Heil, oder auch in Ehefrau Inge Schulz.

Atmosphärisch und psychologisch verdeutlicht wird so das innere und äußere Drama eines Mannes zwischen Selbstgewissheit und Selbstzweifeln. Ein Mann, der am Ende wie das Opfer eines Übermaßes an populistischer Strategie-Beratung sowie allgemeiner Umfrage-Hörigkeit dasteht. Die vielbeschworene „Authentizität“ des Politikers aus kleinen nordrhein-westfälischen Verhältnissen gerät dabei zur Farce. Pointiert abzulesen an einer Szene, in der Schulz gewaltsam und mäßig erfolgreich seine regional gefärbte Mundart abtrainiert werden soll: Immer mal wieder sagt der Genosse Schulz „mantsche Menschen“ - und nicht etwa hochdeutsch korrekt „manche“.

Dass das Politiktheater in Berlin mit Schulz' Ausstieg aus großen Ämtern - er wirkt nunmehr als einfacher Bundestagsabgeordneter - nicht beendet ist, suggeriert der gerade erst geänderte Schluss des Bühnenstücks. Unter den Klängen des Chansons „L'important c'est la rose“ erhält hier nun Andrea Nahles einen dicken Strauß roter Blumen - ganz schnell wird die zwischenzeitliche Parteivorsitzende ihn aber auch wieder los.

Bei den Privattheatertagen werden in der Hansestadt bis zum 23. Juni insgesamt zwölf herausragende Inszenierungen aus dem gesamten Bundesgebiet gezeigt. Sie konkurrieren in den Kategorien „Komödie“, „(Zeitgenössisches) Drama“ und „Klassiker“ um den Monica-Bleibtreu-Preis. Die Auszeichnungen werden bei einer Gala am 23. Juni in den Hamburger Kammerspielen verliehen.