Kultur

US-Dichter Ferlinghetti: „Trump ist barbarisch“

Montag, 18. März 2019 - 12:25 Uhr

von Von Barbara Munker, dpa

Beatnik-Dichter Lawrence Ferlinghetti nimmt kein Blatt vor den Mund. Foto: Mauro Aprile Zanetti

San Francisco (dpa) - In den 1950er Jahren wurde Lawrence Ferlinghetti zur Beatnik-Legende. Auch mit 100 Jahren nimmt der amerikanische Dichter, Verleger und Aktivist kein Blatt vor den Mund. Er hat ein neues Buch und wettert gegen Trump.

Die Sehkraft hat stark nachgelassen, er trägt ein Hörgerät, doch mit fast 100 Jahren ist der Beatnik-Dichter Lawrence Ferlinghetti unverblümt, scharfsinnig und humorvoll. Und er teilt gegen Donald Trump aus. „Wir haben einen barbarischen Präsidenten“, sagt der Schriftsteller im Interview der dpa.

„Dies sollte jedem Angst machen. Die Welt verändert sich so schnell, wir wissen nicht, was passieren wird“, mahnt der Pazifist, Denker und gefeierte Dichter, der in den 1950er Jahren mit seinen Beatnik-Kollegen Jack Kerouac und Allen Ginsberg die literarische rebellische Bewegung in der Westküstenmetropole San Francisco anführte.

Ferlinghetti, der am Sonntag (24. März) 100 Jahre alt wird, beschreibt in seinem Gedicht „Trump’s Trojan Horse“ ein Weißes Haus, aus dem Trumps Männer rausplatzen, um die Demokratie zu zerstören. Zu seinem runden Jubiläum erscheint jetzt auch in Deutschland sein neuestes Buch „Little Boy“, Erinnerungen an sein Leben und Reflexionen über die Gesellschaft, die er im Beat-Stil als Gedankenfetzen zu Papier bringt. Es sind keine Memoiren, betont Ferlinghetti. Mit diesem Wort verbinde er eine „liebenswürdige“ Schreibform.

Es ist ein bewegtes Leben: Kindheit bei einer Tante in Frankreich, als Soldat im Zweiten Weltkrieg im Pazifik und beim D-Day in der Normandie, Studium an der Sorbonne in Paris, dann nach San Francisco, wo er zu einer der zentralen Figuren der Beat-Bewegung wird.

Er gründet den legendären Buchladen und Verlag City Lights. Noch heute ist der historische Bookshop mit den alten Regalen und knarrenden Holzböden ein Treffpunkt für Intellektuelle und Poeten. Die Fassade des Buchladens, mitten im Italienerviertel North Beach, ist seit Jahren eine Reklamewand für Protest-Worte. Es sind riesige Banner mit der Aufschrift „Andersdenken ist nicht un-amerikanisch“, „Stoppt Kriege und Kriegstreiber“, oder „Stoppt Abschiebungen“.

Dort trug Allen Ginsberg 1955 sein berühmtes Gedicht „Howl“ („Das Geheul“) über Sex, Rausch und ein neues Lebensgefühl vor. Der explizite Text löste einen Skandal aus, die Staatsanwaltschaft befand das Gedicht als obszön. Als Verleger wurde Ferlinghetti verklagt, doch er gewann den Prozess, der die Beatniks ins Rampenlicht rückte. „Ein mutiger Mensch und ein mutiger Poet“, sagte der Sänger Bob Dylan einmal über Ferlinghetti. Doch der wehrt ab. „Für uns war es einfach Dichtkunst, die veröffentlicht werden musste.“ 

Zu seinem 100. Geburtstag sind zig Events geplant: Lesungen und Feiern in City Lights, Filmvorführungen, eine Ausstellung seiner Bilder. „Bis mein Augenlicht schlechter wurde, habe ich viel gemalt“, erklärt der graubärtige Ferlinghetti. Der zweifache Vater will selbst nicht an den vielen Feierlichkeiten in San Francisco teilnehmen. Dafür sei er körperlich zu schwach, sagt sein Assistent Mauro Aprile Zanetti. Er ist beim Schreiben und auch bei Interviews behilflich, die Ferlinghetti nur noch telefonisch führt.

Am Telefon lacht er oft. „Das kann ich nicht verraten. Das ist eine Überraschung“, amüsiert er sich über die Frage, wie er denn seinen Geburtstag feiern werde. Die große Beachtung seines Schaffens zu seinem Jubiläum habe er nicht erwartet. „Ich war nur ein Hund, der aufmerksam durch die Straßen lief und alles um sich herum wahrnahm“, sagt der Dichter und Verleger. Sein Gedichtband „A Coney Island of the Mind“ (1958), in über zwölf Sprachen übersetzt, ist bis heute ein Bestseller.

Ob er denn als Hundertjähriger noch jeden Tag schreiben werde? „Nein, aber vielleicht jede Nacht“, kontert Ferlinghetti. „Dies sind Zeiten, in denen man nachts schreiben sollte.“