IG Metall konzentriert sich auf Betriebe

IG Metall konzentriert sich auf Betriebe

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann: „Wenn wir uns nicht einmischen, werden die Entscheidungen gegen uns getroffen.“. Foto: Daniel Karmann/dpa

Nürnberg (dpa) - Die IG Metall richtet ihre Strategie stärker auf die Einzelbetriebe aus. Auch der ungelöste Konflikt um die 35-Stunden-Woche im Osten könnte nun im tariflichen „Häuserkampf“ angegangen werden.

In der Auseinandersetzung um die 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie bereitet die IG Metall Verhandlungen mit einzelnen Großbetrieben vor.

Der Gesprächsfaden mit dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall sei zwar nicht abgerissen, sagte der Erste Vorsitzende der Gewerkschaft, Jörg Hofmann, auf dem Gewerkschaftstag seiner Organisation in Nürnberg. Die IG Metall bereite sich aber systematisch darauf vor, das Thema „einzelbetrieblich anzugehen“. In Frage kommen dafür besonders die Standorte großer Autohersteller wie VW, BMW oder Porsche in den ostdeutschen Bundesländern.

Seit mehr als 20 Jahren streiten Gewerkschaft und Arbeitgeber in der Branche über die 35-Stunden-Woche, die im Westen schon seit 1996 überall gültig ist. Zuletzt scheiterte die IG Metall mit einem Streik zur Angleichung im Jahr 2003. Auch im aktuell gültigen Manteltarif von Anfang 2018 sind weiter 38 Stunden festgeschrieben. Anfang Oktober hatte die IG Metall die Gespräche mit den ostdeutschen Arbeitgebern für beendet erklärt. Dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall zufolge arbeiteten im Dezember vergangenen Jahres knapp 500.000 Menschen in der Metall- und Elektroindustrie in den ostdeutschen Ländern. Tariflich beschäftigt waren davon ein Jahr zuvor 80.000.

Gesamtmetall hatte den Abbruch der Gespräche kritisiert, weil aus Arbeitgebersicht eine schrittweise Senkung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden greifbar gewesen sei - bei gleichzeitigen Regelungen zum Ausgleich der Mehrkosten und zur Sicherung des Arbeitszeitvolumens.

Angesichts tiefgreifender Umbrüche in den industriellen Kernbranchen wie Auto, Maschinenbau oder Stahl sieht sich Deutschlands größte Gewerkschaft mit fast 2,3 Millionen Mitgliedern vor zahlreichen großen Aufgaben. Die Delegierten nahmen einstimmig einen Entschließungsantrag an, dass die gewerkschaftliche Arbeit stärker von den Betrieben aus getrieben werden soll.

„Unsere größte Ressource sind die Ehrenamtlichen“, sagte Hofmann. Man brauche mehr Engagement, um die anstehenden Probleme zu bewältigen. Dafür müsse den Leuten auch mehr Zeit eingeräumt werden. „Wenn wir uns nicht einmischen, werden die Entscheidungen gegen uns getroffen“, erklärte der Gewerkschaftschef.

Die IG Metall will sich in der kommenden Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie mit fast vier Millionen Beschäftigten trotz konjunktureller Schwächen mit Lohnforderungen nicht zurückhalten. Man werde zu Jahresbeginn eine Forderung beschließen, die wie in der Vergangenheit in die Zeit passe, erklärte Hofmann.

Für die besonders gefährdeten Gruppen in den Stammbelegschaften müssten die Arbeitgeber Qualifizierungen finanzieren, die zu einer nachhaltigen Beschäftigung führten, verlangte der Gewerkschafter. Auch die 2018 eingeführten Wahlmöglichkeiten zur Arbeitszeit will die IG Metall ausbauen. Vor allem sollten Teilzeitbeschäftigte, Monteure und Projektarbeiter mit einbezogen werden.

Hofmann kritisierte Arbeitgeber, die in zunehmender Zahl aus der Tarifbindung ausstiegen. Die Öffentliche Hand solle die Vergabe ihrer Aufträge daher an die Auflage koppeln, dass die Betriebe tatsächlich tarifgebunden sind, verlangte Hofmann.

Vor der Grundsatzrede hatte Hofmann noch persönliche Worte an die Delegierten des Gewerkschaftstages gerichtet, die ihm am Vortag ein schwaches Ergebnis zur Wiederwahl beschert hatten. Der „Denkzettel“ habe ihn schon getroffen, sagte der 63-Jährige. An einen Rücktritt habe er aber keinen Moment gedacht, ergänzte er später. Niemand solle nun aber denken, dass sich die IG Metall in internen Debatten verliere. „Wir werden klare Kante zeigen.“