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Der Gross-Faktor: Mannheim Spitze, Probleme in Wolfsburg

Eishockey

Dienstag, 23. Oktober 2018 - 14:01 Uhr

von Von Carsten Lappe und Kristina Puck, dpa

Eishockey-Coach Pavel Gross wechselte im Sommer von Wolfsburg nach Mannheim. Foto: Uwe Anspach

Wolfsburg (dpa) - Erfolg hat, wer Pavel Gross hat. Der 50 Jahre alte Eishockey-Coach wechselte im Sommer von Wolfsburg nach Mannheim. Im Schnelldurchgang führte Gross die Adler zurück an die DEL-Spitze. Wolfsburg hingegen ist seitdem in der Krise und holte nun bereits den Nach-Nachfolger.

Pavel Gross ist derzeit die dominierende Figur in der Deutschen Eishockey Liga. Einmal vom neuen Trainer auf links gedreht, fühlen sich die Adler Mannheim wieder stark genug für den achten Meistertitel.

Schmerzhafter als erhofft ist Gross' Abgang im Sommer dagegen für die Grizzlys Wolfsburg. Nachfolger Pekka Tirkkonen hielt sich gerade einmal 81 Tage im Amt, wurde am Montag beurlaubt und am Dienstag durch den Schweizer Hans Kossmann ersetzt. Für den Finnen Tirkkonen war Gross' Erbe deutlich zu groß.

Besonders bitter ist diese Erkenntnis für Manager Charly Fliegauf, der seit 2007 mit überschaubaren finanziellen Mitteln ein erstaunlich glückliches Händchen bei der Zusammenstellung des Kaders beweist. Bei der schwierigen Suche nach einem geeigneten Nachfolger des langjährigen Grizzly-Coaches Gross lag Fliegauf nun aber zunächst daneben und sprach bei der ersten Beurlaubung eines Trainers in Wolfsburg unter seiner Verantwortung von einer „persönlich sehr schwierigen Entscheidung“. Tirkkonen und er kennen sich seit Jahren.

Im 50 Jahre alten Finnen sah Fliegauf einen „ehrgeizigen und akribischen“ Arbeiter - wie Gross. In der Realität ließ Tirkkonen den Spielern aber gewisse Freiheiten. Offenbar zu viele. „Wir brauchen vom Typ her wieder einen, der eine Struktur schafft, mit der alle Spieler zurechtkommen. Das hat uns vielleicht ein bisschen gefehlt“, bekannte Fliegauf nun in den „Wolfsburger Nachrichten“ (Dienstag).

In Kossmann (56) - in der Schweiz Meister mit dem SC Bern (2010) und den ZSC Lions aus Zürich (2018) - glaubt er diesen Typ nun wieder gefunden zu haben. „Hans gilt als ein sehr akribischer Coach, der viel Wert auf Taktik, Fitness und Disziplin legt“, meinte Fliegauf.

Unter Gross und Fliegauf waren die Grizzlys der kontinuierlich erfolgreichste DEL-Club. Zehn Mal in Serie schafften sie es in die Playoffs. Nach dem ersten Saisonviertel ist dieses Minimalziel weit entfernt. Nur zwei Siege und neun Punkte aus 13 Spielen - die Niedersachsen sind Vorletzter und haben schon neun Zähler Rückstand auf Platz zehn, der zur Teilnahme an den Vor-Playoffs berechtigt.

Mannheim hingegen, trotz üppiger finanzieller Ausstattung von Geldgeber SAP in den vergangen Jahren chronisch erfolglos, gewöhnte sich schnell an Gross' Führungsstil. Souverän führen die Adler die Tabelle mit bereits vier Punkten Vorsprung auf die Düsseldorfer EG an. „Er hat vom Boden weg alles verändert“, sagte Nationalstürmer und Olympia-Silbergewinner Matthias Plachta über Kontrollfanatiker Gross. „Es ist ein bisschen intensiver alles geworden. Er ist sehr, sehr detailverliebt. Er hat einen neuen Wind reingebracht.“

Mit Vertrauten an seiner Seite erweiterte der 50 Jahre alte ehemalige Meisterspieler der Adler das Trainerteam. Wie schon in Wolfsburg hat Gross auch keinen Respekt vor großen Namen: Olympia-Silbergewinner Marcus Kink hat einen schweren Stand und kam seit drei Spielen nicht zum Einsatz. Ähnliche Autorität wünscht sich Fliegauf auch wieder.

Gross gibt stets penibel bis ins kleinste Detail vor, was zu tun ist: ob im Training oder im Spiel. Im Umgang mit seinen Spielern setzte Tirkkonen mehr auf deren Freiheiten. Mit mehr Eigenverantwortung kamen einige Spieler nach acht Jahren Gross ebenso wenig klar, wie Tirkkonen mit Hypotheken, die für ihn aber nicht zu mildernden Umständen führten. Neben Gross verließen im Sommer die Mittelstürmer aller vier Sturmreihen den Club, zwölf neue Spieler kamen. „Der größte Umbruch, seit ich 2007 nach Wolfsburg kam“, gab Fliegauf zu.

Hinzu kommt Verletzungspech. Zwei der vier neuen Center verletzten sich vor dem Saisonstart schwer. Auch Nationaltorwart Felix Brückmann ist schwer angeschlagen und dürfte die gesamte Saison ausfallen. Damit und mit dem Gross-Erbe muss nun Kossmann klarkommen. Seinen Einstand gibt er bereits am Donnerstag in Straubing.