Politik Inland

Maaßen: Haben die Migrationslage bis heute nicht im Griff

Samstag, 16. Februar 2019 - 16:36 Uhr

von Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Hans-Georg Maaßen wurde als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz im November 2018 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Foto: Federico Gambarini

Köln (dpa) - Maaßen will nicht rachsüchtig erscheinen. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt verweilt er nur kurz bei den Umständen seiner Ablösung als Verfassungsschutz-Chef. Seine Kritik an der Migrationspolitik der Regierung äußert er jetzt noch deutlicher.

Einen Teil seiner persönlichen Verbitterung hat Hans-Georg Maaßen (56) inzwischen heruntergeschluckt.

Er habe sich bei seinem Amtsantritt als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vorgenommen, den Job nicht länger als sieben Jahre zu machen, „von daher passte die Zeitdauer, dass ich nach gut sechs Jahren ging“, erklärt er bei einer Veranstaltung der Werte-Union in Köln - und klingt dabei fast versöhnlich. Er fühle sich „an der Seitenlinie“ jetzt ganz wohl.

Maaßens erster öffentlicher Auftritt vor größerem Publikum ist ein Heimspiel. Die rund 150 Mitglieder der Vereinigung wertkonservativer Mitglieder von CDU und CSU, die sich an diesem sonnigen Vormittag in einem Kölner Innenstadt-Hotel eingefunden haben, sind Fans. Gebannt lauschen sie Maaßens Ausführungen zu Migration, Terrorgefahr und dem Zustand der Demokratie. Für sie ist er ein Held, ein Aufrechter. Ist das vielleicht der erste Aufschlag des früheren Spitzenbeamten Maaßen als Politiker?

Wir erinnern uns: Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte Maaßen im vergangenen November in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Vorausgegangen waren vieldeutige Äußerungen Maaßens zu Protesten in Chemnitz, nachdem dort ein Deutscher gewaltsam zu Tode gekommen war. Er bezweifle, dass es zu Hetzjagden auf Ausländer gekommen sei, sagte Maaßen kurz danach der „Bild“-Zeitung und schloss „gezielte Falschinformation“ nicht aus.

Vor internationalem Geheimdienst-Publikum sprach Maaßen später laut Manuskript von „linksradikalen Kräften in der SPD“, die nach den Ereignissen von Chemnitz einen Bruch der großen Koalition provozieren wollten. Nachdem der Redetext bekannt wurde, zog Seehofer, der bis dahin noch zu Maaßen gehalten hatte, die Reißleine.

Was macht Maaßen heute? Er treibe viel Sport, sagt der ehemalige Geheimdienstchef vor Beginn der Veranstaltung. Es habe einige Jobangebote gegeben. Er wirkt gefasster als in den für ihn so aufregenden Tagen im letzten Herbst.

Weshalb er zu den Umständen seiner Ablösung an der Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) bislang nicht viel gesagt hat? Maaßen sagt: „Ich wollte auch nicht noch mehr Öl ins politische Feuer gießen“ - bei diesem Kurs wolle er auch heute bleiben. Über seinen Amtsnachfolger, den früheren BfV-Vizepräsidenten Thomas Haldenwang, verliert er kein schlechtes Wort.

In politischen Fragen, die ihn bewegen, wird Maaßen dagegen deutlich. Eine Beteiligung des chinesischen Konzerns Huawei am Aufbau des deutschen 5G-Netzes würde seiner Ansicht nach in eine „nicht beherrschbare Abhängigkeit“ führen, sagt er. Die Ergebnisse des jüngsten Werkstatt-Gesprächs der CDU zur Migrationspolitik enthielten zwar „eine ganze Zahl an Verbesserungen“, etwa bei der Regelung der Zuständigkeiten verschiedener Behörden. „Gleichwohl befriedigt mich das Papier nicht“, fügt er hinzu - sichtlich zufrieden, dass er jetzt ohne die Fesseln sprechen kann, die er als Spitzenbeamter trug.

Maaßen beklagt eine Verengung des Meinungskorridors in Politik und Medien. „Viele haben inzwischen Angst, ihre Meinung frei zu äußern, um nicht in die rechte Ecke gestellt zu werden“, sagt er und meint damit vielleicht auch sich selbst. Ihm war im vergangenen Jahr vorgeworfen worden, er verhindere, dass der Verfassungsschutz seinen Blick auf die AfD schärft.

Kritisch äußerte sich Maaßen in Köln zu aktuellen Äußerungen des ehemaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) zur Flüchtlingskrise von 2015. De Maizière hatte in seinem vergangene Woche erschienenen Buch „Regieren“ erklärt, die Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze wäre damals zwar möglich gewesen, hätte aber hässliche Bilder nach sich gezogen. Maaßen sagte, er schätze de Maizière zwar sehr. Der Rechtsstaat bewähre sich jedoch erst dann, „wenn auch unangenehme Entscheidungen getroffen werden müssen“.

Maaßen erklärte, immer noch kämen täglich Hunderte Ausländer ohne Visum über die Grenzen - „die Migrationslage haben wir aus meiner Sicht noch nicht im Griff“. Das sei auch mit Blick auf die Terrorgefahr, die von unidentifizierten Extremisten ausgehe, ein großes Problem.