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Sprecher: Ministerpräsident Abiy an äthiopischer Front

Mittwoch, 24. November 2021 - 17:21 Uhr

von dpa

Abiy Ahmed, Premierminister von Äthiopien, ist auch Oberbefehlshaber der Truppen. Foto: Mulugeta Ayene/AP/dpa/Archiv

Addis Abeba (dpa) - Ein Friedensnobelpreisträger, der als Oberbefehlshaber an die Front reist: Der äthiopische Regierungschef hat die täglichen Amtsgeschäfte an seinen Vertreter abgegeben. Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed ist nach Angaben eines Regierungssprechers an der Front bei den Regierungstruppen. Als Regierungschef ist der Friedensnobelpreisträger auch Oberbefehlshaber der Truppen.

Die laufenden Regierungsgeschäfte führe sein Stellvertreter Demeke Mekonnen, berichtete der Informationsminister am Mittwoch. Der Vielvölkerstaat Äthiopien ist durch den seit etwa einem Jahr andauernden Konflikt im Land vom Zerfall bedroht.

Angesichts der zunehmenden Aufrufe von ausländischen Botschaften an die in Äthiopien lebenden Bürger ihrer Länder, das Land möglichst umgehend zu verlassen, sprach der Regierungssprecher von „psychologischer Kriegsführung“ gegen Äthiopien. Am Mittwoch rief auch Irland seine Bürgerinnen und Bürger dazu auf, den Staat am Horn von Afrika zu verlassen. Die britische Regierung erneuerte ihre entsprechende Aufforderung an die Briten in Äthiopien.

Deutsche zum Verlassen aufgefordert

„Deutsche Staatsangehörige werden dringend aufgefordert, die derzeit verfügbaren kommerziellen Flüge zur sofortigen Ausreise zu nutzen“, heißt es seit Tagen auch auf der Seite des Auswärtigen Amtes. Die UN hatten am Dienstag die Evakuierung der Familienangehörigen ihrer internationalen Mitarbeiter bis zum 25. November empfohlen. Am Mittwoch wurden vier irische Diplomaten von der äthiophischen Regierung zur Ausreise aufgefordert. Die Entscheidung soll im Zusammenhang mit früheren Äußerungen der irischen Regierung zur politischen Situation in Äthiopien im UN-Sicherheitsrat stehen.

Äthiopiens Regierungschef Abiy kam 2018 mit dem Versprechen an die Macht, das Land zu reformieren. Er entmachtete die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), die das Land 25 Jahre lang dominierte. Im Herbst 2020 führte die TPLF eigenmächtig Wahlen in ihrer Hochburg, der nördlichen Region Tigray, durch und griff kurz danach eine Militärbasis an. Abiy ging militärisch gegen die TPLF vor. Mittlerweile hat sich der Konflikt auf weitere Landesteile ausgeweitet. Abiy ist seit 2019 Friedensnobelpreisträger - geehrt wurde er für seine Bemühungen um die Lösung des Grenzkonflikts mit dem Nachbarland Eritrea.

IKRK: Dramatische Zuspitzung

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) wies am Mittwoch auf eine dramatische Zuspitzung der humanitären Lage in Äthiopien hin. „Es ist ein Rennen gegen die Zeit, um auf einige der dringendsten humanitären Bedürfnisse zu reagieren“, sagte Nicolas von Arx, Leiter der IKRK-Delegation in Äthiopien, laut einer Mitteilung.

Nach Angaben des Roten Kreuzes benötigen Hunderttausende Binnenflüchtlinge vor allem in den nördlichen Regionen Unterstützung, während es für Helfer immer schwieriger werde, zu ihnen vorzudringen. Tausende sind den Angaben zufolge mittellos in die Städte geflohen, müssten in überfüllten Notlagern, Schulen oder sogar im Freien übernachten.

Wasser-, Nahrungs- und Strommangel vor Ort erschwerten die Lage noch weiter. Seit Wochen sei es nicht möglich gewesen, humanitäre Hilfe nach Tigray zu schicken. Die Arbeit der Helfer werde durch die Kämpfe und den sich verändernden Frontverlauf zusätzlich erschwert.