Bundesliga

Nach Derby-Pleite: Gedemütigter HSV zwischen Häme und Trotz

Sonntag, 23. Februar 2020 - 11:06 Uhr

von Von Franko Koitzsch, dpa

Louis Schaub (l) und Jordan Beyer vom Hamburger SV sind nach der Niederlage konsterniert. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg (dpa) - Die Schmach sitzt tief. Zwei Pleiten gegen St. Pauli in einer Saison - das trifft den HSV bis ins Mark. Die Häme nimmt Trainer Hecking in Kauf. Es gibt Wichtigeres.

Die Reaktion der Vereinsbosse sprach Bände. Präsident Oke Göttlich vom FC St. Pauli stand beim Abpfiff des Hamburger Stadtderbys regungslos da und weinte vor Glück.

Vorstandsvorsitzender Bernd Hoffmann vom Hamburger SV hastete wütend die Treppen zu den Stadionkatakomben hinunter und fluchte: „Mann, Mann, Mann!“ Aufstiegsmitfavorit HSV wurde in der heimischen Festung vom abstiegsbedrohten Stadtrivalen mit 2:0 (2:0) gedemütigt. Und das zum zweiten Mal in dieser Saison.

Schon das Hinspiel fünf Monate zuvor hatte der Außenseiter vom Kiez mit demselben Ergebnis für sich entschieden. Ein derartiger Doppel-Erfolg war den St. Paulianern zuletzt vor 66 Jahren in der Oberliga Nord geglückt. „Derby-Meister, Derby-Meister“, skandierten mehr als 6000 St.-Pauli-Fans im ausverkauften Volksparkstadion. „Häme und Spott nehmen wir an“, sagte HSV-Trainer Dieter Hecking.

„Das wird jetzt an uns nagen“, prophezeite HSV-Kapitän Aaron Hunt, während nebenan aus dem Mannschaftstrakt des FC St. Pauli Jubelschreie drangen. Seit fast einem Jahr war das Kiez-Team auswärts sieglos. Der Rautenclub dagegen ist auf den Relegationsrang drei hinter dem VfB Stuttgart zurückgefallen und spürt obendrein den heißen Atem des 1. FC Heidenheim, der nur noch drei Punkte dahinter lauert.

Die Stimmung beim HSV ist im Keller. „Jetzt gehen wir zum zweiten Mal als Verlierer aus dem Derby. Das ist ein Riesenrückschlag für die Meisterschaft und für die Fans“, jammerte Stürmer Martin Harnik. Genau diese Selbstzweifel will Hecking unterdrücken. Damit seine Mannschaft nicht wie zum Ende der Hinrunde Nerven zeigt und ins Trudeln gerät, versuchte er sie in ungewohnter Weise von Schuld freizusprechen. „Ich muss die Niederlage auf meine Kappe nehmen“, sagte der 55-Jährige. Falsche Taktik, falsche Aufstellung? Nein. „Ich muss mich in erster Linie hinterfragen. Vielleicht habe ich nicht die richtigen Worte gefunden, die ich früher schon gefunden hatte“, meinte er über seine Halbzeitansprache.

Die Selbstbezichtigung des erfahrenen Fußballlehrers ist ehrenhaft, trifft aber nicht die Ursachen der Pleite. Nachdem der sehenswert gestartete HSV mit zwei Aluminiumtreffern die verdiente Führung verpasst hatte, leitete ein schlimmer Fehlpass nach 20 Minuten die Wende ein. Je länger das Hecking-Team keine Antwort fand und das Tempo verschleppte, wurde es zunehmend ratloser und traute sich immer weniger zu. Was andere „Mia san mia“ nennen, ist beim HSV in kritischer Lage nur selten zu Hause.

„Von mir aus können wir ruhig verlieren, wenn wir trotzdem aufsteigen“, hatte Hecking vor dem Derby verkündet. An der angepeilten Bundesliga-Rückkehr ändert die Derby-Pleite nichts. Nur die Angst, dass das hehre Ziel wie in der Vorsaison peu à peu auf schmerzhafte Weise entschwinden könnte, ist beim HSV allgegenwärtig. Fuchs Hecking, so hoffen Verein und Fans, wird den richtigen Dreh finden. Sportvorstand Jonas Boldt: „Wir werden eine Reaktion zeigen.“

Der gefürchtete Pyro-Wahnsinn im Derby lief diesmal auf Sparflamme. Wenige bengalische Feuer hüben wie drüben wurden gezündet. Geld wird es die gebeutelten Vereine dennoch kosten. Zu hoffen ist, dass der DFB kontrollierte Pyro-Shows in Stadien außerhalb der Zuschauerbereiche deshalb nicht als gescheitert ansieht. Vielleicht war es auch ruhiger, weil es zwei Wochen zuvor die kontrollierte Variante gegeben hatte.