Bundesliga

Von wegen Big City Club: Herthas Aschermittwoch gegen Köln

Sonntag, 23. Februar 2020 - 10:36 Uhr

von Von Jens Marx, Marie Reichenbach und Andreas Krühl

Die Hertha-Profis Santiago Ascacibar (l) und Maximilian Mittelstädt sind nach der Niederlage bedient. Foto: Andreas Gora/dpa

Berlin (dpa) - Schlechter als Hertha BSC bei der denkwürdigen 0:5-Klatsche gegen Köln spielte, geht es eigentlich nicht mehr. Der Trainer kann es sich nicht erklären. Die Spieler sind sich ihrer Nicht-Leistung bewusst. Die Fans wütend. Was hat Jürgen Klinsmann damit noch zu tun?

Den selbst ernannten Big City Club der Zukunft hat die bittere Realität eingeholt: Kein Glanz, kein Gloria bei Hertha BSC. Stattdessen Hilflosigkeit, Ratlosigkeit und wütende Fans, die nach nicht mal einer halben Stunde die eigene Mannschaft gellend auspfeifen.

Das Chaos, das Jürgen Klinsmann durch sein teures und aufsehenerregendes Intermezzo in Berlin hinterlassen hat, wird zur schweren Bürde für seinen Nachfolger Alexander Nouri. Er hat eine Mannschaft, die gegen den Abstieg kämpft - wobei kämpfen im Fall des 0:5 (0:3) gegen den 1. FC Köln übertrieben wäre. „Ganz bitter, muss man sagen“, räumte der 40-Jährige nach der desaströsen Klatsche des Hauptstadtclubs ein.

Statt einen Schritt ins Mittelfeld der Tabelle zu machen, rutschten die Berliner, deren Investor Lars Windhorst nach dem abrupten Klinsmann-Rücktritt nun den nächsten Tiefschlag hinnehmen musste, hinter die Kölner, beide haben nun 26 Punkte. Und es geht weiter gegen Mannschaften, die jeden Zähler mindestens genauso brauchen.

Am nächsten Spieltag bei Fortuna Düsseldorf, dann daheim gegen den SV Werder Bremen - das wird Abstiegskampf pur. Nach dem Duell gegen Hoffenheim kommt Union Berlin ins Olympiastadion zum hochgradig brisanten Stadtduell, dann geht es zu Meisterschaftskandidat RB Leipzig - einem tatsächlich großen Club der Gegenwart.

Als hätte die Blamage gegen einen Verein, der sich auch nur um den Verbleib in der Fußball-Bundesliga bemüht, nicht schon beschämende Ausmaße genug angenommen, ließen es sich die mitgereisten und meist lustig verkleideten Kölner Fans nicht nehmen, die Berliner auch noch richtig zu verhöhnen. Lautstark skandierten sie in allerbester Karnevalslaune nach einem der höchsten Meisterschaftssiege in der Vereinsgeschichte: „Jüüüüüüürgen Klinsmann.“ Danach sangen, tanzten und feierten die jecken Fans mit jecken Kölner Profis.

Die Berliner waren da schon längst in der Kabine verschwunden. Die noch verbliebenen Hertha-Fans harrten umsonst. „Wenn man teilweise verarscht wird, hat man als Spieler auch keinen Bock, da reinzugehen“, antwortete Kapitän und Nationalspieler Niklas Stark beim Sender Sky auf die Frage, warum die Mannschaft nicht zu den Anhängern nach dem Match gegangen war.

Pfiffe nach 27 Minuten, Pfiffe zur Pause, Pfiffe beim Betreten des Rasens zur zweiten Halbzeit. Die Reaktion nach dem letzten Pfiff des Schiedsrichters und der höchsten Heimniederlage der Herthaner seit dem 0:5 am 21. Dezember 2014 gegen 1899 Hoffenheim war damit auch klar. Manager Michael Preetz verschwand mit versteinerter Miene von der Bank.

Die frühe Führung durch Jhon Cordoba nach gut drei Minuten. Das zweite Tor durch denselben Spieler in der 22. Minute, ein Doppelpack durch den starken Florian Kainz (38./62.) unter unfreiwilliger Slapstick-Mithilfe beim zweiten Tor durch Hertha-Keeper Rune Jarstein. Und noch ein herrlicher Freistoß-Treffer von Mark Uth (70.) - Köln brachte sich zum Rosenmontag in Hochstimmung.

Bei Hertha herrschte fußballerischer Aschermittwoch: Ein Überangebot an Nichts. „Wir haben alle Tugenden vermissen lassen“, konstatierte Nouri - verwundert über die unerklärliche Leistung nach einer aus seiner Sicht guten Trainingswoche.

Trainingserfolge nützen im Kampf gegen den Abstieg aber nichts. Keine Chance in der ersten Halbzeit, kein Tor, kein Mumm, kein erkennbarer Willen - das war die Realität auf dem Platz. „Es ist nicht zu erklären, jeder hat gesehen, dass das so absolut nicht geht - bei mir persönlich angefangen bis hin zur gesamten Mannschaft“, sagte Hertha-Profi Marius Wolf. „Es war einfach ein Scheißspiel und ein gebrauchter Tag“, meinte Stark.