Sportmix

300 Euro Preisgeld zu sechst: Der schwere Frauen-Kampf

Freitag, 22. Oktober 2021 - 11:20 Uhr

von Von Patrick Reichardt, dpa

Franziska Brauße, Lisa Brennauer, Mieke Kröger und Laura Süßemilch bei der Bahnrad-WM in Roubaix in Aktion. Foto: Francois Lo Presti/AFP/dpa

Roubaix (dpa) - Niedrige Preisgelder, zu wenig Wertschätzung und kaum TV-Präsenz: Im Radsport ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern noch immer riesig. Die Herabwürdigung erfolgte erst ganz zum Schluss. Im Pilgerort Santiago de Compostela war alles bereit fürs große Finale der Vuelta der Radprofis: ein Zielbogen, weiträumige Absperrungen und die große Kathedrale als prächtige Kulisse.

Und die Frauen? Die mussten vorher abbiegen und überquerten ihren Zielstrich bei einer schmucklosen Bushaltestelle. So erzählte es Bahnrad-Olympiasiegerin Mieke Kröger dieser Tage dem Deutschlandfunk. „Da fühlt man sich halt wirklich als Anhängsel“, sagte die 28-Jährige. Es ist ein Gefühl, das im Frauen-Radsport der vergangenen Jahre häufiger mal herrschte.

Kröger ist wie Teamkollegin Lisa Brennauer eine Alles-Gewinnerin, allein 2021 waren es Goldmedaillen bei Olympia, Bahn-EM, Bahn-WM und Straßen-WM. Doch die allgemeine Relevanz hat der Frauen-Radsport trotzdem längst nicht. „Ich erhoffe mir mehr Präsenz. Einige kennen jetzt diesen komischen Vierer aus Tokio, der da dreimal Weltrekord gefahren ist. Ich hoffe, dass der Frauen-Radsport allgemein mehr in den Fokus gerät“, sagte Kröger der Deutschen Presse-Agentur bei der WM in Roubaix.

Doch es gibt Fortschritte. Dieses Jahr wurde der Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix erstmals für die Frauen ausgetragen, 2022 startet die Tour de France der Frauen - mit den Champs-Élysées in Paris als Start statt wie bei den Männern gewohnt als Ziel. „Die Tour de France nächstes Jahr, das ist ein großes Event auf dem Kalender. Natürlich reizt einen das. Das ist eine super Entwicklung. Der Frauen-Radsport geht nach vorne“, betonte Brennauer, die als 33-Jährige schon lange dabei ist und ihre Karriere 2022 fortsetzen möchte.

Auch wenn Sportlerinnen und Trainer die grundsätzlich „positive Entwicklung“ betonen, sind die Unterschiede immer noch gewaltig. In Sachen TV-Präsenz, Reichweite, Preisgelder und Gehälter sind die Männer extrem weit voraus. Kröger erzählte jüngst, wie es bei den Straßenfrauen mit den Siegprämien aussieht: Da gibt es schon mal 300 Euro für das gesamte Team mit sechs Fahrerinnen. Ein Anteil von zehn Prozent gehe noch ab für den Staff, fügte Kröger an.

Geht die Angleichung schnell genug? „Was geht denn schnell genug?“, fragte Brennauer zurück. „Ich glaube, dass stetiger Fortschritt ein sicherer Fortschritt ist. Es ist ein gutes Zeichen in die richtige Richtung.“ Die auf der Bahn und Straße aktive Allgäuerin setzt darauf, dass „sich einiges tun wird in den nächsten Jahren.“ Wie so oft im Radsport sind die Frauen aber davon abhängig, dass TV-Sender übertragen und Sponsoren investieren. Letzteres passiert oft erst, wenn die mediale Reichweite gegeben ist. Es ist ein Teufelskreis, der gerade erst ganz langsam aufgebrochen wird.

Bundestrainer André Korff sieht bereits große Fortschritte, allein durch die stetige Thematisierung der bestehenden Ungleichheit. „Der Frauen-Radsport kriegt gerade schon einen anderen Stellenwert - er wird immer professioneller. Das war früher noch ganz anders“, sagte der 48-Jährige. Damals sei das Thema „echt stiefmütterlich“ behandelt worden. Korff geht davon aus, dass sich TV-Zeiten, Gehälter und Preisgelder irgendwann angleichen werden. „So wird es kommen, aber es dauert halt seine Zeit.“