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Toba: „Geweint, weil ich keinen Spagat machen wollte“

Donnerstag, 10. Oktober 2019 - 14:27 Uhr

von Von Ulli Brünger, dpa

Deutsches Turn-Ass: Andreas Toba. Foto: Marijan Murat/dpa

Stuttgart (dpa) - „Talent hat, wer das Training durchhält.“ Dieses Motto hing einst als Plakat mahnend im Frankfurter Turnzentrum. Es beschreibt treffend, dass es nicht nur auf Begabung ankommt. Deutschlands Top-Turner Toba hat es mit Fleiß und Durchhaltevermögen ins WM-Finale geschafft.

Eigentlich klingt es unglaublich, wenn Andreas Toba von den holprigen Anfängen seiner Turn-Karriere erzählt.

„Ich war immer der Schlechteste in der Halle, das stimmt wirklich! Ich habe als kleiner Junge geweint, weil ich keinen Spagat machen wollte“, sagt der 29-Jährige aus Hannover am Donnerstag im DTB-Teamhotel. Inzwischen ist Toba mehrfacher deutscher Meister, zweimaliger Olympia-Teilnehmer, der zurzeit mit Abstand beste Mehrkämpfer des deutschen Turn-Teams. Und er nimmt in Stuttgart schon an seiner fünften Weltmeisterschaft teil.

An diesem Freitag (16.00 Uhr/SWR Livestream) darf er sich als einziger Deutscher mit den 23 besten Turnern der Welt im Mehrkampf-Finale messen. Man merkt Toba an, wie stolz er darauf ist. Dabei wirkt er nie überheblich, ist selbstkritisch, bescheiden, bodenständig und so mannschaftsdienlich wie kaum ein anderer. Auch wenn Turnen eigentlich ein klassischer Individualsport ist, geht ihm das Team, das Gemeinschaftsgefühl über alles. „Ich habe immer noch großen Spaß am Turnen. Es macht einen großen Teil meines Lebens aus“, betont der 29-Jährige.

Die Bilder von den Olympischen Spielen in Rio 2016 gingen um die Welt: Da hatte Toba trotz eines gerade erlittenen Kreuzbandrisses im Knie noch seine Pauschenpferd-Übung geturnt, um seinem Team die Qualifikation fürs Mannschaftsfinale zu ermöglichen. Das von Fabian Hambüchen angeführte Team belegte am Ende Rang sieben, und Toba hatte fortan „Heldenstatus“. Allein auf diese Szene möchte er nicht reduziert werden, „aber sie gehört zu mir, zu meinem Leben dazu.“

Toba ist das Turnen durch seinen Vater in die Wiege gelegt worden. Papa Marius Toba war einst rumänischer, dann deutscher Nationalturner, war erfolgreicher WM- und Olympia-Teilnehmer - und stets der größte Förderer seines Sohnes, den alle nur Andy nennen. „Er hat enorme Bedeutung für mich. Es gibt niemanden, der solch einen Einfluss auf mich hat wie mein Vater. Ich habe total viel von ihm gelernt“, berichtet Toba. Dabei seien sie charakterlich völlig unterschiedlich, weswegen sie auch häufiger aneinanderrasselten, wie er einräumt. „Er ist ein energischer Typ“, sagt er.

„Ich bin eigentlich sehr introvertiert und ruhig“, betont Toba, der selten so aus sich herausgeht wie bei der dramatischen Team-Qualifikation am Sonntag, als die Olympia-Teilnahme auf dem Spiel stand. Als es extrem kritisch wurde am letzten Gerät, animierte Toba die Fans laut und gestenreich, Philipp Herder zu unterstützen. Prompt gelang dem Teamkollegen der entscheidende Sprung zur erfolgreichen Qualifikation für Tokio 2020. „Andy zeichnet sich ganz klar durch seinen Teamgeist aus“, lobt Chefcoach Andreas Hirsch. „Er hat in der Vorbereitung die stabilsten Leistungen gezeigt. Das kommt nicht von allein, er hat es sich hart erarbeitet.“

Weil andere mehr Talent und bessere körperliche Voraussetzungen zum Turnen besaßen, musste Toba stets mehr üben als die Altersgenossen. Er sei deshalb fast verzweifelt, sagt er. Und berichtet von einem Schlüsselerlebnis: Im Alter von neun bis elf Jahren wurden von den Jungs Pflichtelemente gefordert, unter anderem eine Zugstemme an den Ringen. Dabei muss sich der Turner ohne Schwung aus dem Hang in den Stütz befördern. „Alle konnten das, nur ich habe trainiert und trainiert, aber es einfach nicht hingekriegt.“ Sein Vater habe ihm dann geraten, durchzuhalten und konstant weiter zu trainieren.

Zwei, drei Jahre später mussten die Kids an den Ringen dann eine Felge in den Stütz zeigen. „Die hatten jetzt alle Probleme, und ich konnte sie direkt in den Handstand“, erzählt Toba schmunzelnd von dem Erlebnis, das ihn geprägt habe. Da habe er realisiert, dass aus ihm doch noch etwas werden könne, wenn er fleißiger als alle anderen trainiert. Fortan war er immer der Erste beim Training und der Letzte, der geht. Und den Spagat, den kann er jetzt auch.