Sportmix

Ungarns Heim-WM im „Mekka des Wasserballs“

Schwimmen

Donnerstag, 20. Juli 2017 - 15:12 Uhr

von Von Thomas Eßer und Holger Schmidt, dpa

Wasserball im altehrwürdigen Alfréd-Hajós-Schwimm-Komplex in Budapest. Foto: Thomas Eßer

Das Stadion ist voll, beim Public Viewing herrscht Volksfest-Stimmung, und die besten Plätze vor den Leinwänden in den Kneipen sind schon Tage im Voraus reserviert. Wenn Ungarns Nationalteam bei der WM spielt, scheint halb Budapest auf die Margareteninsel zu pilgern.

Die in Rot, Weiß und Grün gekleideten und geschminkten Fans gehen jedoch nicht zum Fußball, sondern zum Wasserball. „Die ungarischen Wasserballer haben da Nationalhelden-Status“, sagt Bundestrainer Hagen Stamm. Das deutsche Team darf bei der Weltmeisterschaft nur zuschauen.

„Es tut schon weh“, sagt Stamm. Er kennt die Stimmung im altehrwürdigen Alfréd-Hajós-Schwimm-Komplex aus zahlreichen Spielen. „Für mich ist dieses Stadion auf der Margareteninsel das Mekka des Wasserballs“, sagt er. „Das ist einfach eine Atmosphäre in diesem alten Backsteingemäuer in so zentraler Insellage, dass man froh sein darf, wenn man da in diesem Bad spielen darf.“ Am liebsten habe er in dem Freiluftbecken mit den steilen Stahlrohrtribünen immer gegen Ungarn gespielt, sagt Stamm. Und das, obwohl die Zuschauer dem gegnerischen Team ordentlich einheizen.

So auch im zweiten WM-Gruppenspiel der Ungarn gegen Italien. Vermeintliche Schiedsrichter-Fehlentscheidungen kommentieren die Fans mit lauten Pfiffen und wütenden Gesten - und als Ungarn wenige Minuten vor Schluss einen Rückstand aufholen muss, hält es niemanden mehr auf den Sitzen. Die Anfeuerung, die auch noch jenseits der Insel zu hören ist, hilft: Der Weltmeister von 2013 gleicht aus und trennt sich vom Olympia-Bronze-Gewinner von Rio de Janeiro 9:9.

„Es ist verrückt, was hier los ist, wenn Ungarn spielt“, sagt Dániel, der als Kellner in einer Bar nur wenige hundert Meter vom Stadion entfernt arbeitet. „Alle Tische in der Nähe der Leinwände sind schon lange reserviert.“ Wer keine der 7000 Stadion-Karten mehr bekommt, schaut in der Kneipe, im Biergarten - oder probiert es wie Kristóf auf dem Schwarzmarkt. „Need Ticket“, steht auf seinem Pappschild.

Zudem haben die Veranstalter der internationalen Titelkämpfe direkt neben dem „Hajós“ ein Fußball-Stadion zum Public-Viewing-Gebiet umfunktioniert. Partystimmung vor Leinwänden - es gibt Parallelen zum deutschen WM-Sommermärchen 2006.

Ein bisschen Weltmeisterschafts-Stimmung wird auch Hagen Stamm demnächst miterleben. „Zum Halbfinale und Finale nächste Woche bin ich selbst in Ungarn und schaue mir die Gegner an“, sagte er. Der frühere Ausnahme-Wasserballer und Europameister hofft, dass sich auch das deutsche Team demnächst wieder mit den Besten bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften messen kann.

Seine junge Mannschaft sei nach zuletzt überzeugenden Partien mit Siegen gegen Kanada, Rumänien und Frankreich „auf einem guten Weg“. Der Umbruch befinde sich allerdings „noch im Anfangsstadium.“ Die Fan-Unterstützung und den Helden-Status wie in Ungarn haben seine Sportler natürlich nicht. Zudem fehlt es im Vergleich an Nachwuchsathleten, Sponsoren und Aufmerksamkeit. „Da kann man in Deutschland nur neidvoll nach Ungarn gucken“, sagt Stamm.